Roland empfiehlt
Gerbrand Bakker: Der Sohn des Friseurs
Simon schneidet Männern die Haare, ungern zu viel davon. Er ist Friseur, aber diese Tätigkeit ist nur ein kleiner Teil von seiner unverwechselbaren Identität. Doch von Leidenschaft kann keine Rede sein, der Beruf ist ihm quasi in den Schoß gefallen. Simon übernahm den Friseursalon von seinem Vater, der wiederum das Geschäft von Simons Großvater erbte. Simons Mutter nennt ihn „träge“ und „ein großes Kind mit einem Friseurladen“.
Nun kommen in seinen Laden eine Handvoll Stammkunden, die sich die Haare schneiden oder rasieren lassen und Monologe halten, die Simon normalerweise mit „hm“ oder „ah“ beantwortet.
Als Simons Mutter fragt, ob er beim wöchentlichen Schwimmausflug einer Gruppe geistig behinderter Jugendlicher helfen möchte, gerät sein wechselvolles Leben auf Hochtouren. Zu seiner Schande fühlt er sich nicht nur zu einem der geistig behinderten Jugendlichen hingezogen, dessen atemberaubende körperliche Schönheit ihn an den Schwimmer Aleksandr Popov erinnert; zum ersten Mal in seinem Leben beginnt Simon auch, sich Fragen über seinen Vater zu stellen. Er hat ihn nie gekannt und untersucht nun die Umstände des bizarren Todes seines Vaters bei einem Flugzeugabsturz auf Teneriffa.
Die Kapitel – selten länger als ein paar Seiten – über Simons Alltag, der sich hauptsächlich zwischen Friseursalon und Schwimmbad abspielt, wechseln jedoch zunehmend und das Leben des Protagonisten nimmt erheblich an Fahrt auf, auch weil er sich mit dem Phänomen Flugzeugkatastrophen und mit Fragmenten aus der Geschichte seines Vaters Cornelis Weiman auseinandersetzt.
Dieser neue Roman von Gerbrand Bakker toppt -meiner Meinung nach- noch den unglaublich guten ersten Roman „Oben ist es still“ – also große Empfehlung!
Nancy empfiehlt
Ryka Aoki: Das Licht ungewöhnlicher Sterne
Ich habe zum Anfang des Jahres schon wahnsinnig viel gelesen – vieles vorab, was erst in den nächsten Monaten erscheinen wird und einiges, das ich nur angelesen habe und auch ein paar Titel, die außerhalb unseres Sortiments liegen.
So zum Beispiel ein sehr interessantes Buch des schwulen Israelischer Historikers Yuval Noah Harari, den zweiten Band der „Bright Falls“-Reihe, den lesbischen Roman „Was das Meer verspricht“, der erst im März erscheint und ganz zu meiner Freude einen ungewöhnlichen Hybriden aus Science-Fiction und Fantasy, der mir wahnsinnig viel Freude bereitet hat, weil allein die Idee so schräg ist, dass ich den Ausgang dieser Story bis zu Letzt nicht erahnen konnte.
Ein absurd-spaßiger Roman! Eine Wahlfamilie aus Flüchtigen eines interstellaren Krieges, eröffnet einen Donut-Laden und trifft auf eine Geigenlehrerin, die einen faust‘schen Teufelspakt eingegangen ist und ein trans Mädchen in ihre Obhut nimmt. Dieser Mischung aus Klassischer Musik und queerem Content konnte ich ebenso wenig widerstehen, wie andere Menschen Schokolade nicht widerstehen können…
Franz empfiehlt
Lion Christ: Sauhund
Der Ende der Neunzigerjahre geborene Autor schreibt in seinem Debutroman über eine Zeit lange vor seiner Geburt, genauer gesagt das Jahr 1983. Dabei herausgekommen ist ein Coming-out-Roman im sympathisch-bayrischen Tonfall, der von den ersten Gehversuchen eines Jungen vom Lande in der Münchner Subkultur erzählt. Dabei ist Flori weiß Gott eher ein zartes Pflänzchen als ein Sauhund, wie es der Titel verspricht, und gerade das macht viele Szenen geradezu anrührend.
Mir ist der Sauhund auf jeden Fall nach anfänglichem Zögern immer mehr ans Herz gewachsen.
Hier ist eine gelungene Besprechung des Buches auf sissymag,de:
https://www.sissymag.de/lion-christ-sauhund/